| “LIFE’S A SHOW”   Es ist die Situation von der die meisten Musiker träumen.  Nach jahrelanger Schufterei kommt der Anruf: ein Major-Label will dich unter  Vertrag nehmen und einzig ein überzeugender Live-Auftritt steht zwischen dir  und dem ersehnten Plattenvertrag. Doch dann beginnt der Albtraum – einer, der  einzig Musikern vertraut sein dürfte: nur drei Stunden vor Konzertbeginn ein  weiterer Anruf, diesmal vom Schlagzeuger der Band, er habe dem Bassisten gerade  im Streit beim Zuschlagen einer Tür die Hand gebrochen. Für Martin Kelly und  James O’Neill hätte dies das Ende von allem bedeuten können, doch wie man so  schön sagt: „the show must go on“. Und so steigen die beiden alleine auf die  Bühne und fangen an, ihre Songs zu schmettern. Die Intensität ihres Auftritts  kompensiert das Fehlen der übrigen Bandmitglieder. Sie werden dafür mit dem  größten Beifall ihrer Karriere belohnt. Das Publikum ist begeistert. Die  Plattenfirma ist begeistert. Und dennoch kommt der Vertrag nie zustande.    Mal ehrlich, die meisten Menschen hätten irgendwann  aufgeben. Doch nicht Martin and James.  Nach dieser niederschmetternden Erfahrung machten sie einfach weiter. Sie haben  gesungen, geschrieben und aufgenommen bis ihr unerschütterlicher Glaube an sich  selbst endlich belohnt wurde. Karma`s a bitch – mag ja sein, doch selbst das  Karma lässt sich manchmal erweichen, auch wenn es dazu viel, viel Zeit braucht.    Martin  and James’ lange Reise führte sie von den matschigen  Fußballplätzen ihrer Jugend in der kleinen, einst stolzen Industriestadt  Coatbridge im Osten Glasgows, Schottland, auf die Bühnen der größten  Fußballstadien und Arenen ihrer neuen Wahlheimat Deutschland. Doch ist ihre  Geschichte keine dieser Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Fabeln, die Hollywood  uns so gerne verkaufen will. Schließlich waren diese Bühnen nicht ganz die  eigenen: das Duo wurde einfach von einigen weltbekannten Bands als Opening Act  gebucht. Doch schließlich brachte ihnen ihre Beharrlichkeit nach der  Unglücksnacht den lang ersehnten Major-Label-Vertrag, eine stetig wachsende  Fangemeinde sowie Möglichkeiten, die sie sich lange erhofft hatten, aber auch  jetzt keinesfalls als selbstverständlich betrachten.    Martin  and James kennen sich fast so lange wie sie denken können. Wie  viele Teenager verband die beiden zuerst vor allem ihre Vorliebe für Fußball  und billigen Alkohol. Doch bald war es vorbei mit Cider trinken hinter den  Fahrradunterständen und sie gingen über zum gemeinsamen Musikmachen. Die Chemie  zwischen den beiden wurde schon früh deutlich, ihre Experimente gefördert und  ermutigt durch James` Vater, der zuhause ein kleines Roland 8-Spur  Aufnahmegerät besaß. Als Mitglied bei The Silencers, Zeitgenossen gefeierter  schottischer Achtzigerjahre Bands wie den Simple Minds, Del Amitri und Big Country,  sorgte er dafür, dass der Traum Musiker zu werden weniger weithergeholt war als  es scheinen würde. Die Entscheidung, Musikkarriere zu machen, traf James dann  auch bereits im Alter von elf Jahren.   Martin dagegen brauchte etwas länger, um diese Möglichkeit  für sich in Betracht zu ziehen. Sein Vater war Buchhalter, wenn auch einer mit  einer beneidenswerten Plattensammlung. Doch letztendlich entsprang Martins  Inspiration derselben Quelle: nachdem sein Sohn bereits bei den Silencers  mitspielen durfte, bat James’ Vater Martin, wegen eines gebrochenen Handgelenks  für ihn einzuspringen. Jahrelang feilten die beiden an ihrer Kunst, ihre  Lehrzeit leisteten sie bei den Silencers ab, während sie ihre eigenen Stücke in  Bands mit variierenden Besetzungen erprobten. Sie arbeiteten in Bars und Cafès,  als Kuriere und Büroaushilfen, die Musik stand jedoch immer im Mittelpunkt und  gegen Ende der 2000er erhielten sie einen weiteren unerwarteten Anruf. Diesmal  kam er von einer deutschen Managementfirma, welche ihre Songs online entdeckt  hatte und sie für einen Sommer in die deutsche Hauptstadt holte. Mit dem  Wissen, dass nur wenige Bands eine zweite Chance erhalten, gaben sie ihre Jobs  auf. Dieses Vertrauen machte sich bezahlt: Universal Records bot ihnen einen  Vertrag an, und dieses Mal unterschrieben Martin  and James ihn auch tatsächlich.   Umgesiedelt nach Deutschland wuchs ihre Popularität mit  Hilfe der aufkommenden sozialen Netzwerke schnell. Die Veröffentlichung ihrer  EPs in 2009 (Bad Dream) und 2010 (Wrong Directions) trieb ihren Aufstieg  weiter voran. Zur gleichen Zeit fanden Kollaborationen mit Fran Healy (Travis)  und Iain Archer (Snow Patrol, The Reindeer Section) ihren Weg auf das nach  ihnen selbst benannte Debutalbum. Darauffolgend tourte das Duo durch ausverkaufte  Hallen auf dem europäischen Festland, eröffnete riesige Shows für Musiker wie  Stereophonics, Bryan Adams, Paul Weller, Jake Bugg, Razorlight oder James  Morrison und genoss zusätzliche Aufmerksamkeit durch die Beisteuerung ihrer  Musik zum erfolgreichen deutschen Film What  A Man. Ein weiterer Song, ‚You Still Shine’, wurde im Soundtrack des  deutschen Films Heiter Bis Wolkig verwendet. Entstanden war dieser in  Zusammenarbeit mit Tobias Kuhn, der als Mitglied der Kultband Monta schon mit  Udo Lindenberg gearbeitet hatte und Filmmusik für unter anderem Wim Wenders  schrieb. Kuhn, Martin und James hatten sich während der ersten Zusammenarbeit  angefreundet, so war Kuhn eine naheliegende Wahl als Produzent. Darüber hinaus  wurde er mit zunehmendem gegenseitigen Vertrauen Teil des Schreibprozesses.   Life’s A Show markiert einen  bedeutenden Schritt für Martin and James,  klar erkennbar in den Arrangements. Der Kern jedes Songs bleibt zwar  unverwechselbar, ihre Harmonien - inspiriert von der Liebe zu Bands wie The  Everly Brothers und Simon And Garfunkel - sind präziser denn je, doch Kuhn  ermutigte sie, ihre Kompositionen und deren Präsentationsweise weiter  auszubauen. Der Titelsong, die Songs ‚I Know A Girl’ und ‚Cynical Skin’ sowie  ‚My Dog Don’t Like The Rain’ behalten die akustischen Eigenschaften, die sie  bei vielen so beliebt gemacht hatten, bei. Trotzdem ist ihr zweites Album voll  mit gewagteren, ausladenderen Tracks so wie die erste Single ‚Matilda’, deren  eingängiger Refrain schon einige zum inbrünstigen Mitsingen bewegt hat, oder  das kraftvolle und verspielte ‚Cold, Cold Heart’.    Es ist die Situation, die sich meisten Musiker wünschen:  ein zweites Album in der Tasche, vollgepackt mit gewinnenden Songs, eine  Fangemeinde, die scheinbar ständig wächst, und eine Arbeitsgemeinschaft, die  immer besser und besser wird. Und Martin  and James sind noch nicht am Ende angekommen, was sie mit Life’s  A Show eindeutig beweisen. Um es mit dem für sie charakteristischen  Optimismus ihres Titelsong auszudrücken: „Just  wait, it won’t be long / For you to treasure where you belong… |